„1 Ein Armer, der in Unschuld wandelt, ist besser als einer, der Verkehrtes spricht und dabei reich ist. 2 Wo man nicht mit Vernunft handelt, da ist auch Eifer nichts nütze; und wer hastig läuft, der tritt fehl. 3 Des Menschen Torheit führt ihn in die Irre, und doch tobt sein Herz wider den HERRN. 4 Reichtum macht viel Freunde; aber der Arme wird von seinem Freunde verlassen. 5 Ein falscher Zeuge bleibt nicht ungestraft; und wer frech Lügen redet, wird nicht entrinnen. 6 Viele schmeicheln dem Vornehmen; und wer Geschenke gibt, hat alle zu Freunden. 7 Den Armen hassen alle seine Brüder; wie viel mehr halten sich seine Freunde von ihm fern! Wer viel spricht, der tut Frevel; und wer Worten nachjagt, der wird nicht entrinnen. 8 Wer Klugheit erwirbt, liebt sein Leben; und der Verständige findet Gutes. 9 Ein falscher Zeuge bleibt nicht ungestraft; und wer frech Lügen redet, wird umkommen. 10 Dem Toren steht nicht an, gute Tage zu haben, viel weniger einem Knecht, zu herrschen über Fürsten. 11 Klugheit macht den Mann langsam zum Zorn, und es ist seine Ehre, dass er Verfehlung übersehen kann. 12 Die Ungnade des Königs ist wie das Brüllen eines Löwen; aber seine Gnade ist wie Tau auf dem Grase. 13 Ein törichter Sohn ist seines Vaters Herzeleid, und eine zänkische Frau wie ein ständig triefendes Dach. 14 Haus und Habe vererben die Eltern; aber eine verständige Ehefrau kommt vom HERRN. 15 Faulheit macht schläfrig, und ein Lässiger wird Hunger leiden. 16 Wer das Gebot bewahrt, der bewahrt sein Leben; wer aber auf seinen Weg nicht achtet, wird sterben. 17 Wer sich des Armen erbarmt, der leiht dem HERRN, und der wird ihm vergelten, was er Gutes getan hat.“
Diese Verse zeigen deutlich, warum die Weisheitsliteratur manchmal gar nicht so leicht zu interpretieren ist. Neben eindeutig wertenden Aussagen, bei den klar ist, was falsch und was gut ist, gibt es auch Aussagen, die einfach beschreiben, was wir typischer Weise in der Welt erleben. Diese sollten nicht wertend (normativ) verstanden werden, sondern einfach beschreibend (deskriptiv).
In der ersten Hälfte von Kapitel 19 lesen wir zum Beispiel 4 Aussagen über die Armen.
In Vers 1 wird deutlich, dass Armut und Reichtum weniger bedeutend sind, als Unschuld bzw Lüge. Wir sollten also Wohlstand nicht zu hoch bewerten, sondern vor allem darauf bedacht sein, dass wir anständig leben.
Vers 4 und Vers 7 klingen dann ganz anders. Hier wird so über die Armen geschrieben, dass man denkt, dass bei ihnen etwas nicht stimmt. Sie werden von ihren freunden verlassen und werden gehasst. Aber das ist eben keine Wertung, sondern einfach eine Beschreibung. So ist das einfach in der Welt. Da sind die Armen oft nicht populär. Mit ihnen wollen viele nichts zu tun haben. Sie sind oft einfache Opfer, während die Reichen oft umgarnt werden.
Vers 17 macht dann deutlich, dass das was in Vers 4 und Vers 7 beschrieben wird, eben wirklich nur eine Beschreibung ist. Denn Vers 17 sagt denen, die sich da anders verhalten und sich des Armen erbarmen zu, dass sie vom HERRN selbst dafür entlohnt werden.
-> Wir tun also gut daran, bei bestimmten Versen im Buch der Sprüche einfach zu erkennen, dass das tatsächlich der Lauf dieser Welt ist. Und als Christen sollten wir uns dann eben oftmals bewusst nicht der Welt gleichstellen, sondern eine Kontrastgesellschaft sein.
Hier heißt das konkret, dass es für Christen gut und richtig ist, sich der Armen zu erbarmen.